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Marktbericht KW45

Saisonbeginn: Echte Marroni, Stachys, Barba di frate, blaue Kartoffeln und gelbe Randen aus der Region.


Aktuell: Crispy rot aus dem Rheintal, Wirz, Kürbisse in allen Farben und Formen, Spitzkabis weiss und rot, Chinakohl rot, Winterportulak, Freiland-Nüsslisalat, Borlotti-Bohnen, Castelfranco, Trevisano und Trevisano Tardivo.


Schwierig: Steinpilze nur noch auf Vorbestellung erhältlich, da die Mengen rasant abnehmen.


Es ist «Saure-Gurken-Zeit»! (Bei uns nicht im Sommer, sondern im Herbst.) Dies ist ein Ausdruck, der seitdem späten 18. Jahrhundert in Gebrauch ist. Der Ausdruck bezeichnete ursprünglich eine Zeit, in der es nur wenige Lebensmittel gab. Heute wird so unter Geschäftsleuten scherzhaft die Zeit des Hochsommers genannt, in der die meisten Leute Ferien machen und daher stille Geschäftszeiten herrschen. Irgendwann wurde der Begriff vom Journalismus übernommen, um die nachrichtenarmen Sommerwochen zu bezeichnen, in denen die Zeitungen dünn sind und hauptsächlich mit nebensächlichen und kuriosen Meldungen gefüllt werden müssen.


Ich mache das heute auch so und deshalb gibt es einen kleinen Ausflug nach Norditalien, genauer in die Marca Trevigiana, in die Region um Treviso, die zur Provinz Venetien gehört. Prosecco, Radicchio und Grappa sind die kulinarischen Höhepunkte der Region! Wir berichten über den Salat namens Trevisano oder besser über seinen noch viel edleren Bruder, den Trevisano Tardivo, der das Küchenbudget schon ein wenig belastet. Nachdem Sie diesen Bericht gelesen haben werden Sie aber verstehen, warum der Tardivo sein Geld durchaus wert ist.

Von November bis April können wir den herben Charme dieser Gemüseart geniessen. Der Rosso di Treviso mit seinem feinen Bitterton gilt als der angesehenste dieser Familie in Europa, ihn einfach Salat zu nennen, wäre eine grobe Beleidigung. Nördlich der Alpen werden die rot-violetten Blätter zwar oft zu dekorativen Zwecken verwendet, in Italien indessen gilt der Radicchio als hochwertiges Gemüse. Roh, gegrillt oder gebraten. In der Marca Trevigiana wird Radicchio seit Jahrhunderten genossen. Arme Landsleute versuchten, Radicchio für den Winter einzulagern und entdeckten, dass die Pflanzen im warmen Stall nicht verfaulten, sondern austrieben. Sie stellten die Radicchio-Wurzeln ins Wasser, retteten sie über den Winter und bemerkten, dass die Blätter immer feiner und schmackhafter wurden. Die Zucht des Rosso Trevisano Tardivo ist eine kostspielige und mühevolle Arbeit. Aus der ungeniessbaren, extrem bitteren schmeckenden Mutterpflanze wird in einem arbeitsintensiven Verfahren ein zartbitteres Wintergemüse entwickelt. Die Mutterpflanze wächst im Sommer und wartet auf den Winter, um weiterverarbeitet zu werden. Mit dem Frost wird Radicchio auch rötlicher. Nach den ersten Frösten werden die noch unansehnlichen Mutterpflanzen geerntet, zu Bündeln geschnürt und wieder in die Erde gesteckt. Abgedeckt unter Plastikplanen treten die Pflanzen in einen Winterschlaf. Sie treiben nicht weiter aus und sterben auch nicht ab. Nach und nach holen die Bauern den ganzen Winter hindurch Pflanzen aus dem Plastikbett hervor. Nun darf der Radicchio wieder aktiv werden und endlich seine essbaren Blätter bilden – und zwar im Wasserbad. Die Bauern nennen diese Phase « forzatura» = Treiben! Die Bündel kommen in Wasserbecken und stehen hier mit ihren Wurzelfüssen dicht aneinander gereiht im fliessenden Quellwasser. Für 20 Tage brauchen die Pflanzen das fliessende, ca. 15 Grad kalte Wasser.

Es wachsen die neuen Triebe, die so kostbar sind. Der ganze Aufwand gilt allein diesen jungen Trieben, denn die welken Aussenblätter der Mutterpflanze müssen entfernt werden. Nun ist der Radicchio also kein Salatkopf mehr, sondern nur noch dessen zartes Herzstück.

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